Durch Industriedesign in der Medizintechnik kann das Wohlbefinden der Patienten deutlich gesteigert werden. Ein Computertomograf, ein Röntgenapparat, ein Ultraschallgerät wirken mitunter bedrohlich. Dann wird auch noch diese kalte Paste auf einem Schallkopf aufgetragen und damit auf den Bauch geschmiert. Oder die kalte Platte des Röntgenapparats drückt auf die Brust und man muss die Luft anhalten. Oder man liegt mit Kontrastmittel aufgefüllt in einer trommelnden und lärmenden Röhre, wissend, dass man sich kaum bewegen kann (selbstredend beruhigt durch den Alarmknopf in der Hand, naja).
Diese großen medizinische Apparate ermöglichen auf wundersame Weise die Heilung, weil der Arzt »in den Körper schauen kann«. Aber sie wirken oft auch bedrohlich, verängstigen, führen zu (nicht notwendigen) Verspannungen im Körper. Freilich kann man vernünftig sein und keine Angst haben, denn die ist ja nicht angebracht. Das Dumme ist nur, dass das Lymbische Zentrum oder das Kleinhirn das nicht akzeptiert und trotzdem die Alarmfunktionen des Körpers hochfährt. Zumindest beim ersten Mal.
Besser ist es durch passendes Industriedesign in der Medizintechnik auf diese »menschlichen Unzulänglichkeiten« Rücksicht zu nehmen.
Medizintechnik-Design gleichermaßen für Kleingeräte wichtig
Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Kleingeräten: ein Blutzuckermessgerät, ein Nerven-Stimulator für Hirnschlagpatienten, ein Hörgerät. Das zur Zielgruppe passende Medizintechnik-Design kann statt Stigmatisierung die Heilwirkung verstärken und maßgeblich zu höherer Lebensqualität beitragen.
Aber manche meinen, ein medizinisches Gerät muss sauber – eigentlich steril – wirken, damit man an seine Wirksamkeit glaubt. Der Nachteil einer sauberen, sterilen Erscheinung ist, dass sie auch unmenschlich wirkt. Die Überlebensnotwendigkeit wird betont und durch (vielleicht übertriebene) Sachlichkeit zur Schau gestellt. Manche meinen auch, man müsste schon aus der Ferne einem Gerät ansehen, dass es dem Genre »Medizin« zuzurechnen ist. Das Gerät soll medizinisch wirken.
Medizintechnik-Design soll sich unauffällig in den Alltag einfügen
Aus Patientensicht stellt sich das anders dar. In der Medizintechnik soll sich das Design unauffällig in den Alltag einfügen – also wie als »Bruder der Unterhaltungselektronik« wirken – und dennoch bestens funktionieren. Der Patient soll durch das Industriedesign optimal in der Anwendung unterstützt werden, das persönliche Umfeld soll jedoch kaum Notiz vom Gerät nehmen. Mit gelungenem Medizintechnik-Design sieht dann ein Blutzuckermeßgerät einem MP3-Player ähnlich, ein Neuro-Stimulator erinnert an ein Navigationsgerät zum Wandern und ein Hörgerät wirkt wie ein Headset für Mobiltelefone. Vertraute Formen fallen den Mitmenschen weniger auf und wirken daher nicht stigmatisierend. Sie vermischen sich mit der Formenwelt der anderen Gebrauchsgegenstände und der Patient wird nicht laufend an seine Einschränkung erinnert.
Gutes Design (unique-yet-popular) lohnt sich
Ein sauber gestaltetes, einzigartig aussehendes und dennoch vertraut wirkendes medizinisches Gerät genießt den Vorteil, dass es vom Kunden einem medizinisch wirkenden vorgezogen wird. Ein »Unique-Yet-Popular-Produkt« erinnert an ein Konsumgut und stigmatisiert daher nicht, sondern, ganz im Gegenteil, signalisiert mitunter sogar Status. Damit steigt das Wohlgefühl des Benutzers (= Patienten). Ein sich wohl fühlender Patient aktiviert – ähnlich einem lachenden – seine Selbstheilungskräfte. Unausweichliche Folge: die Heilung ist wirksamer.
Gutes Medizintechnik-Design lohnt sich daher für Anwender und Hersteller.
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